Nr. 1: es finden viele grosse Meetings statt. Betonung liegt auf "grosse" (= mit vielen Menschen), in denen gern auch in zweiter oder dritter Stuhlreihe um den Tisch herum gesessen wird. Das ist nicht weiter schlimm für die in der letzten Reihe, denn man ist eh nur als stummer Zuhörer dabei.
Foto: 3. Sitzreihe |
Nr. 3: kein Meeting ohne Chefbeteiligung und die haben immer ein guten Grund für Verspätung: sie sitzen in anderen grossen Meetings. Deshalb gehe ich wirklich nie mehr allein los zu einem Meeting, sondern warte immer bis mir jemand sagt, dass Mr Fu und Mr Rosen jetzt da sind und das Meeting anfängt. Dann dauert es meist immer noch mindestens 10min.
Nr. 4: es wird viel geredet in den Meetings, aber eher in Monolog-Form. Diskussionen sind viel kürzer, denn es geht eher darum, dass Boss erst versteht und Boss dann entscheidet bzw. sagt, was als nächstes gemacht werden soll.
Nr. 5: es gibt Informationsmeetings und, ich nenne sie, "Iterationsmeetings". In ersteren wird wirklich hauptsächlich berichtet und es ist nicht selten, dass dabei viele einschlafen. Die anderen sind Arbeitsmeetings zu einem Thema, die in wöchentlichen Schleifen solange wiederholt werden, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wird. Beispiel: Kampagnenentwicklung. Es wird wenig Wert auf ein Briefing gelegt, in dem genau vorher überlegt wird, was man von der Agentur erwartet, stattdessen nähert man sich in den Meeting-Runden anhand der verschiedenen Vorschlägen aneinander an. Dabei ist die Meeting-Frequenz extrem hoch: keine Agentur hat länger Zeit als 1 Woche, egal wie gross oder klein die Aufgabe ist. Manchmal sind es sogar nur 3-4 Tage, um eine komplett neue Kampagnenrichtung zu entwerfen.
Nr. 6: Chefs und Kunden sind sehr fordernd. Mitarbeiter und Agenturen/Dienstleister lassen es "über sich ergehen" und geben ihr Bestes, um beim nächsten Mal den Erwartungen mehr zu entsprechen. Kritik nimmt man auch nicht so persönlich, denn es ist ja Teil des "Iterationsprozesses" von Nr. 5.
Nr. 7: Meeting-Teilnehmer sind ungewiss. Ist das Thema kritisch, von niedriger Priorität, politisch, oder man hat vielleicht noch keine "Richtung vom Chef dadrüber" erhalten, geht man einfach nicht hin. Alternativ: man verlässt das Meeting mittendrin und kommt nicht wieder. Macht ja auch nichts, denn es sind genug andere Teilnehmer dabei, die einem später davon berichtet können. Oder in der nächsten Woche findet ja bestimmt ein Folgemeeting statt, da kann man dann fast nahtlos anknüpfen.
Nr. 8: Weil Sekretärinnen übersetzen (also keine Profi-Übersetzer) und die chinesische Denke und Sprache so bildlich/anders ist, kann der "Westler" froh sein, wenn er 50% des Inhaltes eine Meetings versteht. Zeit zur "Nacharbeit"? Fehlanzeige, denn im Meeting werden schon die nächsten Schritte entschieden und dann laufen alle los und setzen bereits um. Weiterer Grund: selbst wenn man sich die Chinesisch-Englischen Unterlagen aus dem Meeting nochmals im Nachgang anschaut: die Übersetzung und Logik der Charts ist so schlecht/anders, dass man auch nicht mehr versteht. Aber auch hier wieder hilft Nr. 5 (Iterationsmeetings): es wird im nächsten Meeting gezeigt, was die Entscheidung/nächsten Schritte waren, manchmal stimmt es, manchmal nicht, manchmal weiss man es selbst nicht mehr genau, aber das macht nichts, denn man entscheidet ja neu, was gemacht wird. Dabei kann es durchaus sein, dass gute Ideen auf dem Weg verloren gegangen sind, aber so ist das eben.
Nr. 9: Und wenn man nun glaubt, nur der "Westler" versteht wenig, dann ist das nicht korrekt, denn auch die chinesischen Kollegen haben viele Fragezeichen im Kopf, was sie einem aber erst hinterher und nie im Meeting erzählen. Und nach der Diskussion in Englisch mit den "Westlern", sind beide Seiten nur noch bei max. 50% Verstehen. Und damit sind wir wieder auf gleichem Stand.
Ein echtes Joint Venture, gemeinsames Abenteuer, oder?
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