Eine kleine Geschichte von Gigi, die neue Perspektiven sucht
Gigi, die so heisst, weil ihr chinesischer Name so ähnlich klingt, ist eine Ende-30-Jährige, die bei einer Werbeagentur arbeitet. Sie hat dafür ihre Heimatstadt und Eltern vor ein paar Jahren verlassen und ist aus der Provinz Sichuan nach Shanghai gegangen. Gigi ist aufgeschlossen, abenteuerlustig, fröhlich, arbeitet hart, steht auf ihren eigenen Füssen im eigenen Leben, aber ist irgendwie auch sehr chinesisch-naiv. Denn, über vieles macht sich der gemeine Chinese oder Chinesin eben keine Gedanken, weil es von anderen geregelt wird.
Beispiel 1: Gigi ist auf Trecking Tour gegangen. Klar, wird da recherchiert und gesucht, aber eher nach einem Anbieter von Allinclusive-Touren. Klar, wird dann eingekauft und gepackt, aber nur das, was auf der Checkliste steht. "Hihi", Gigi kichert, "meine Jacke war viel zu warm zum Wandern, dabei hatte ich sie extra dafür gekauft." Klar wusste sie, dass es in hohe Höhen geht, aber, ihr Gesichtsausdruck wird ernster, "ich habe nicht gewusst, dass man dort nicht richtig atmen kann", erzählt sie.
Für eine Nachtwanderung hatte sie ihre Taschenlampe vergessen und ist deshalb tagsüber allein zurück zum Camp. "Das hätte mir der Tourenführer nicht erlauben dürfen, als ich ihn gefragt habe", findet sie, denn sie hat sich verlaufen und einen richtigen Panikanfall gehabt. Zum Glück ist alles gut gegangen. "Ich dachte, der Weg zurück ist ganz einfach, denn ich konnte ihn vom Berg aus ja sehen, aber als ich unten war, fehlte mir die Perspektive von oben", erzählt sie. Was für eine herrliche Analogie zwischen westlicher und chinesischer Sicht, denn wie oft frage ich nach dem "grossen Bild", das ich nicht sehe, wenn wir über Strategien diskutieren.
Beispiel 2:
Gigi ist mit einer neuen Berufs-Idee beschäftigt, die gerade reift. Sie hat sich mit einer Freundin überlegt, ein Hotel in Yunan zu eröffnen, in einer Gegend, in der man Vögel beobachten kann. Irgendwo hat sie gelesen, dass dies ein neuer Trend werden könnte. "Und Vögel sind doch wirklich interessant..." Es ist mehr eine Frage auf der Suche nach Bestätigung und definitiv keine eigene Erfahrung. Ob sie oder ihre Freundin denn Erfahrung im Hotel-Business haben, will ich wissen. "Nein", gibt Gigi fröhlich und frei zu, aber schliesslich hat sie ja selbst schon in vielen Hotel übernachtet und so schwer kann das ja nicht sein.
Ihren Vertrag bei der Agentur will sie nun kündigen, er war für 3 Jahre befristet und würde eh bald enden. Dann könne sie hoffentlich bald nach Yunan reisen, um sich auf Suche zu machen, ob Grundstück oder Haus wisse sie aber noch nicht. Ich schlage ihr vor, dass ich mir gern mal ihr Business-Konzept zeigen könnte, schliesslich habe ich ja auch in vielen Hotels übernachtet, bestimmt mehr als sie und bin dadurch viel mehr Expertin als sie. "Das ist eine gute Idee", findet sie, "aber ein Business-Konzept haben wir noch nicht" gibt sie zu. Weiss sie denn wieviel sie investieren kann, wie viele Übernachtungen sie braucht, um Geld zu verdienen? Muss sie von den Einnahmen leben können? "Oh", Gigi staunt "das sind echt gute Fragen, über die wir uns noch gar keine Gedanken gemacht haben." Natürlich muss sie davon leben können, und eigentlich will sie mit der Idee sogar richtig reich werden. Jetzt staune ich: wie alt war Gigi nochmal? 37. Ich habe das Gefühl, ich spreche gerade mit einer 20jährigen. Aber, Gigi ist von unserem Gespräch begeistert, denn es gab soviel gute Fragen und ein erster Zeitplan steht fest: innerhalb der nächsten 2 Wochen wird sie an einem Businessplan mit Finanzen arbeiten, denn, sie kichert wieder: "Du hast total recht: man muss sich um Geld und Investitionen kümmern, wenn man ein eigenes Geschäft führen will. Das ich darauf nicht selbst gekommen bin."
Beispiel 3: Ist die Frage, wie Gigi ohne Freund oder Mann an ein Kind kommen will. Aber das ist mal eine andere kleine Geschichte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen